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Parallelgesellschaften existieren wirklich – Pegida ist eine von ihnen

Pegida-Demo
Pegida-Demo. In der Welt der Demonstranten schreibt man „straffällig“ auf einmal groß. Foto: quapan / Lizenz: CC BY 2.0

Was viele nicht ahnten, eine Parallelgesellschaft, wie sie in ähnlicher Form von der Pegida postuliert wird, gibt es in Deutschland tatsächlich. Eine wachsende Gruppe von Leuten lebt am Rande der Gesellschaft mit eigenem Weltbild. Schon längst informieren sich diese Leute nicht mehr über die Mainstream-Medien wie den großen Zeitungen und das öffentlich-rechtliche Fernsehen, die nur als „Lügenpresse“ empfunden werden. Solche Leute beziehen ihr Wissen nur noch aus obskuren Quellen, von Medien wie den Pi-News, Russia Today und verschwörungstheoretischen Internetseiten.

Keinesfalls sollen alle Leute über einen Kamm geschert werden. Längst nicht jeder, der bei den Pegida-Demos mitmarschiert, entspricht diesem Typus, ebenso ist nicht jeder in dieser Hinsicht „verlorengegangen“. Keinesfalls soll auch hier behauptet werden, dass die Mainstream-Medien ausgewogen berichten und bestmöglich recherchieren. Das Gegenteil ist oft richtig, und manche Verlagsgrundsätze und -bekenntnisse wie die beim Axel-Springer-Verlag

Die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika

sind sicherlich einer neutralen Berichterstattung eher im Wege. Bedenklich ist aber, sich in eine eigene Welt zu flüchten, in der nun alle Massenmedien und Politiker der großen Parteien verunglimpft, als Hetzer, Speichellecker oder Zionisten-Schlampen, bezeichnet werden, um noch die milderen Begriffe zu zitieren.

In erschreckendem Maße muss konstatiert werden, dass die Truther, die Inside-Job- und False-Flag-Postulierer sich eine eigene Welt zusammengezimmert haben, in der jeder auf das Übelste beschimpft wird, der es nur wagt, einen Link eines Mainstream-Mediums zu posten oder eine radikale Gegenposition einzunehmen. Ergebnisoffene Diskussionen sind kaum möglich. Statt sich mit den Medien auseinanderzusetzen, flüchten sich diese Leute in eine eigene Welt mit weit simpleren Wahrheiten. Dabei wird verkannt, dass die Welt unglaublich komplex ist und keinesfalls da draußen eine singuläre Wahrheit existiert, die man einfach entdecken und verbreiten kann.

Hinweise darauf, dass in Sachsen nicht mal 0,5 Prozent der Menschen Muslime sind, von denen nur ein winziger Teil radikal ist, werden von vielen Pegida-Anhängern als Lügen bezeichnet und wieder in das eigene Weltbild einsortiert. Natürlich hat man auch eine Erklärung, es seien einfach eine riesige Anzahl an Flüchtlingen illegal im Lande – statistisch nicht erfasst. Was nicht passt, wird passend gemacht. Die gefühlte Islamisierung wird im streng konstruktivistischen Sinne zur wahrhaftigen Islamisierung. Man möchte den „Kartoffeln statt Döner“-Plakathaltern noch sagen, dass die Kartoffel keine alteuropäische Pflanze ist, sondern in Europa erst ab dem 18. Jahrhundert im größeren Stil angebaut wurde, nachdem die Pflanze im 16. Jahrhundert den Weg von Südamerika nach Europa gefunden hatte. Welches Recht hat jemand, heutige kulturelle Bereicherungen abzulehnen, aber ausgerechnet die Kartoffel im wahrsten Wortsinne hochzuhalten? Wenigstens stammt die Kartoffel nicht aus der islamischen Welt – das mag den einen oder anderen Pegidaisten trösten –, aber aus dem Inkareich und damit alles andere aus einer christlichen Kultur heraus.

Dass die Demos in aller Regel Schweigemärsche sind, in denen nur selten mit der Presse geredet wird, kann man nicht aus Respekt der angeblichen Opfer der schleichenden Islamisierung Europas verstehen, sondern als Ablehnung der „Lügenpresse“. Mit denen redet man nicht, denn die lügen ja und drehen es wieder so hin, dass es in das gutmenschliche Weltbild passt. Dass keinesfalls die Presse, gerade aus den konservativen Häusern wie dem Axel-Springer-Verlag, immer auf Multikulti-Kurs sind und waren, wird gerne ignoriert.

Man kann nur innerlich schreien und sich wünschen, dass so manche Leute das Gehirn einschalten. Ich habe es selbst mit deutlichen Worten, aber auch in sehr freundlichen Gesprächen probiert. Egal was ich säte, geerntet habe ich fast immer nur Hass.

Wenn  aber jetzt nur ein Einziger dem Aufruf folgt, zumindest mal zu überprüfen, ob er nicht doch selbst in einer Parallelwelt lebt, um vielleicht aus dieser auszubrechen und mitzuarbeiten, statt sich abzusondern, mag es sich gelohnt haben.

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